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Ihr seht überall Feinde, doch ich sehe nur Hindernisse – und ich weiß, was ich mit Hindernissen tun muss. Umgeht sie, räumt sie beiseite oder durchbrecht sie, damit wir unseren Weg fortsetzen können.
Mutter Befehlshaberin Murbella,
Ansprache an die vereinte Schwesternschaft
Selbst nachdem die Navigatoren den Hauptteil der feindlichen Flotte mit einer unerwarteten Auslöschersalve zerstört hatten, rückte eine zweite Front aus Maschinenschiffen gegen Ordensburg vor.
Als das Orakel Duncan Idaho und das Nicht-Schiff lokalisiert hatte, war sie unverzüglich mit ihren Heighlinern nach Synchronia gesprungen und hatte nur einen kleinen Teil ihrer Flotte zurückgelassen, um die Verteidigung anderer von Menschen besiedelter Planeten zu unterstützen. Da der Ausgang dieser Vorstöße unbekannt war, mochten einige oder gar alle anderen Planeten weiterhin in Gefahr schweben. Nur eins war sicher: Über Ordensburg mussten sich Murbella und ihre Verteidigungsarmee ganz allein den noch übrigen Maschinenschiffen stellen. Währenddessen hatte die Mutter Befehlshaberin kaum Zeit, ihren Schock über die Tatsache zu verarbeiten, dass Duncan noch am Leben war.
Administrator Gorus stöhnte. »Hört es denn niemals auf?«
»Nein.« Murbella sah ihn mit finsterer Miene an, weil er sie zwang, das Offenkundige auszusprechen. »Es sind Denkmaschinen.«
Hoch über der Bene-Gesserit-Welt hingen die hundert Schiffe ihres letzten Aufgebots zwischen den Trümmern Tausender vernichteter Kriegsschiffe der Maschinen. Dieser Kampf hatte dem Feind eine schwere Schlappe zugefügt, aber leider war es immer noch nicht genug.
Die zweite Welle von Omnius' Schiffen würde die menschlichen Verteidiger nicht einfach ignorieren, wie es die erste getan hatte. Diesmal erwartete Murbella keine Gnade, und sie machte sich auch keine große Hoffnung, was die letzten Aufgebote an den anderen Aufmarschpunkten entlang der Front betraf. Die Maschinen hatten sich vorgenommen, Ordensburg und jede andere Welt zu vernichten, die ihnen im Weg stand.
Sie verfluchte die schwerfälligen, nur eingeschränkt funktionsfähigen Gildenschiffe, die die Werften auf Junction geliefert hatten, und die nutzlosen Waffen, die von den Ixianern produziert worden waren. Sie brauchte eine ganz neue Strategie. »Ich bin nicht bereit, unsere Schiffe hier wie Lämmer mit entblößter Kehle im Schlachthaus warten zu lassen!«
»Die mathematischen Kompilatoren haben uns die Navigation im Faltraum und ...«
Sie brüllte Gorus an. »Reißen Sie diese verfluchten Apparate heraus – wir werden von Hand manövrieren!«
»Aber dann können wir uns nicht orientieren. Es könnte zu Kollisionen kommen!«
»Dann müssen wir eben nicht miteinander, sondern mit dem Feind kollidieren.« Sie fragte sich, ob die Maschinen das Bedürfnis nach Vergeltung empfinden konnten, wenn sie die Wracks der ersten Angriffswelle bemerkten. Bei Geehrten Matres wäre es zweifellos so.
Der Feind kam immer näher. Murbella studierte die komplexen taktischen Projektionen. Im Grunde brauchten sie gar nicht so viele Schiffe, um den nur schwach besiedelten Planeten Ordensburg zu erobern. Offensichtlich hatte der Allgeist gelernt, dass der Gegner beeindruckt und eingeschüchtert werden musste und dass sich Redundanz meistens auszahlte.
In der Kontrollzentrale des Heighliners stritten sich zwei Gildenmänner mit Gorus. Einer behauptete, es wäre unmöglich, den mathematischen Kompilator von den übrigen Systemen abzukoppeln, während der zweite argumentierte, dass es unratsam war. Murbella beendete die Diskussion mit der bezwingenden Macht ihrer Stimme. Die Gildenmänner erschauderten und führten ohne Widerstand ihre Befehle aus.
Obwohl die Maschinenstreitmacht ihnen an Feuerkraft um ein Vielfaches überlegen war, schreckte Murbella nicht vor dem zurück, was getan werden musste. Sie ließ sogar zu, das ihre Aggression als Geehrte Mater wieder an die Oberfläche drang. Hier ging es nicht darum, Wahrscheinlichkeiten zu berechnen. Es ging darum, sämtliche zerstörerischen Energien zu entfesseln, die von den Menschen aufgebracht werden konnten. Ihre Chancen standen jetzt besser als zu Beginn dieses Kampfes. Wenn sie sich der Brutalität hingaben und wie wahnsinnige Geehrte Matres kämpften, konnten sie erheblichen Schaden anrichten. Vielleicht gingen sie trotzdem unter, aber wenn sie genügend Zeit für das Orakel und ihre Navigatoren schinden konnten, um Omnius zu besiegen, würde Murbella es als Triumph verbuchen. Sie wünschte sich nur, sie hätte Duncan noch einmal wiedersehen können.
Murbella wandte sich der breiten Projektionsplattform zu, auf der die anrückenden Schiffe dargestellt wurden. »Alle Waffen scharf und die Schiffe zum Rammen bereit machen. Wenn uns die konventionelle Munition ausgegangen ist, werden unsere Schiffe selbst zu unserer letzten Waffe. Unsere hundert Einheiten werden mindestens genauso viele Feinde vernichten.«
Gorus hatte ihre bisherige Strategie schon mehrmals als selbstmörderisch bezeichnet. Nun machte er den Eindruck, als könnte er etwas Dummes versuchen, um sie an ihrem Vorhaben zu hindern. »Warum verhandeln wir nicht mit ihnen? Wäre es nicht besser, wenn wir kapitulieren? Wir können sie nicht daran hindern, ihre Ziele zu zerstören!«
Murbella richtete den Blick auf den Administrator, als wäre er ein lästiges Insekt. Selbst die Schwestern, die von Anfang an nur Bene Gesserit gewesen waren, reagierten nun mit der Wildheit von Geehrten Matres. Sie würden sich niemals ergeben.
»Gründen Sie diesen Vorschlag auf den Erfolg der Abgesandten, die Sie zu den Denkmaschinen geschickt haben? All die Diplomaten, die spurlos verschwunden sind?« Murbellas Stimme zischte wie kochende Säure. »Administrator, wenn Sie eine andere Lösung ausprobieren möchten, stoße ich Sie gerne durch eine Luftschleuse nach draußen. Wenn im Vakuum die letzte Luft aus Ihren Lungen schießt, können Sie damit Ihre persönliche Kapitulationserklärung abgeben. Tun Sie es, wenn Sie glauben, dass die Denkmaschinen Ihnen zuhören werden.«
Der Gildenmann wand sich verzweifelt. Um ihn herum besetzten die Schwestern ihre Stationen und bereiteten alles für den letzten Gegenangriff vor.
Doch bevor Murbella das Kommando geben konnte, meldete sich Janess über den abgeschirmten Kanal. »Mutter Befehlshaberin! Bei den Feindschiffen hat sich etwas verändert. Schauen Sie sich das an!«
Murbella studierte die projizierten Bilder. Die Schiffe der Denkmaschinen bewegten sich nicht mehr im engen Kampfverband. Sie wurden langsamer und drifteten auseinander, als hätten sie kein gemeinsames Ziel mehr, wie unbemannte Segelschiffe in einer Flaute auf einem riesigen kosmischen Ozean.
Sie waren plötzlich führungslos geworden.
Zu ihrem Erstaunen trieb die Denkmaschinenflotte planlos durch den Weltraum.